Birgit Auf der Lauer performt die Tour Erinnerung², photographers:
Paul Holdsworth und Daniela Garcia del Pomar, Berlin 2012

Das "Denkmal der Ermodeten Juden Europas" ist als architektonisches Raster zunächst eine offene und unvermittelte Projektionsfläche für die Erinnerung an den Genozid der europäisch-jüdischen Bevölkerung. Viele fühlen sich an anderes erinnert. 
Niemand der Besucher unter 80 Jahren hat den Holocaust miterlebt oder hat eigene Erinnerungen davon. Alles was die Nachwelt darüber weis ist konserviert, ist medial aufbereitet – damit eine materielle Form von Erinnerung und extern abrufbar.

Die Performance Erinnerung² greift die Offenheit des Denkmals auf und treibt sie weiter, erinnert an die persönlichen Erinnerungen an diesem Ort, die vielfältig, mitfühlend, widerständig und auch abwegig sind.

Um mir diesen offenen "Erinnerungsmoment" anschaulich zu machen verbrachte ich einen ganzen Tag an diesem Denkmal. Ich beobachtete Besucherströme wie sie das Denkmal "nutzen" und befragte Personen dannach an was sie sich beim Begehen erinnern bzw. erinnert fühlen. Ich notierte wie das Denkmal als öffentlicher Ort funktioniert: Versorgungsstränge, barrierefreie Zugänge, Infobroschüren, Reparaturspuren und Mülleimer.

Im nächtlichen menschenleeren Raum des Denkmals, fasste ich die einzelnen Erinnerungsfetzen und Anekdoten der Besucher in einer Führung zusammen. Die Verortung des Gesagten im Denkmal reinszenierte die persönlichen Erinnerungen als einen etablierten Teil der Geschichte dieses Ortes. 


Textauszug der Performance:

"Willkommen am Denkmal der Ermordeten Juden Europas, des Architekten Peter Eisenmann und des Künstlers Richard Serra.

Hinter uns sehen Sie 2711 Stelen aus Beton, unterschiedlicher Höhe und Höhenlage, leicht geneigt, mal etwas nach links, dann etwas nach rechts, wogend.
Ich erinnere mich an den Tag des 16. Juli, 2012 und vor allem daran, dass es schwer war sich zwischen diesen 2711 kubischen Körpern, diesen Betonvolumen, zu orientieren...


...Die Stelen stehen für Steine und Steine sind in der jüdischen Tradition wichtig, sie werden auf Gräber gelegt und stehen für die Ewigkeit, dafür dass man den Toten nie vergessen wird. Die Betonklötze signalisieren, dass der Holocaust für immer in Erinnerung bleiben soll...


...dass die Stelen vielleicht wie Gräber sind. Ihre verschiedenen Größen bzw. Volumen repräsentieren die Menge an Leichnamen. Die kleineren Stelen sind die Kinder, die größeren vielleicht die Erwachsenen...

…Das große Problem ist aber, dass es fast unmöglich ist sich richtig zu erinnern. Der perverse Kopf des Architekten ist dafür verantwortlich. Hier sollten laut seinen unverantwortlichen Vor-

stellungen keine Schilder stehen, keine Hinweise zur Bedeutung, kein Wort des Mahnens, nichts. Hier soll alles offen sein und jeder kann tun, denken und lassen was er will. 

Es wird gegrölt, rumgehüpft und keine Sekunde inne gehalten. Nachts wird an die Ecken gepinkelt und in den dunklen Gängen gevögelt und gekifft. Und wenn die hier so bekloppt rumspringen, dann passieren hier auch viele Unfälle, 40 mal mussten Krankenwägen 2011 anrücken, weil Kinder sich den Kopf oder die Lippe beim Springen aufgeschlagen haben, oder sich was brachen. Das ist unverantwortlich und zieht die Erinnerungskultur der Deutschen in ein schlechtes Licht. Man stelle sich vor Orthodoxe Juden aus Israel steigen hier aus, um sich das Denkmal anzusehen. Sie selber haben vielleicht Opfer in der Familie aus Birkenau oder Auschwitz und dann kommen sie hier her und sehen wie sich junge, knapp bekleidete Mädchen auf den Stelen räkeln und ihnen die Schamhaare aus den knappen Unterhosen zwischen den Beinen rausschauen. Was sollen denn diese Leute von unserer Erinnerungskultur halten? Fühlen sie sich ernst genommen und wertgeschätzt bei so einem Anblick?..."